Waldameisen – bedrohte Helfer des Waldes!

von Sandra Kraus, Ameisenhegerin, Saarland

 

Foto: Sandra Kraus
Foto: Sandra Kraus

 

Wir alle kennen Ameisen, sei es im Wald, auf der Wiese, im Garten oder auch im Haus. Aber die wenigsten Menschen kennen die Aufgaben der Tiere und das Zusammenspiel in der Natur.

 

Ameisen sind sehr sozial und leben in Ameisenstaaten, organisiert als Matriarchat. Der gesamte Staat funktioniert als ein Organismus. Es gibt Ameisenarten mit nur einer Königin (Monogynie) und Arten mit vielen Königinnen (Polygynie). Der Einfachheit halber beschränke ich mich im Folgenden auf polygyne Arten, denn sie stellen in unserer Gegend den Hauptteil der Population.

Ameisen zählen zur Insektenordnung der Hautflügler. Damit gehören sie der gleichen Ordnung an wie beispielsweise Bienen und Wespen. Es gibt sie seit über 100 Millionen Jahren und somit wesentlich länger als unsere eigene Spezies, den Menschen. Seit über 200 Jahren stehen unsere einheimischen Waldameisen unter Naturschutz, sie zählen mit einer Ausnahme zu den besonders geschützten Arten.

 

Nichtsdestotrotz gehen auch bei vielen Ameisenarten die Vorkommen zurück, die Bestände von 92 Prozent der hiesigen Arten schrumpfen, eine Art gilt bereits als ausgestorben. Die Arten des Offenlandes leiden unter der intensiven Landwirtschaft, die Arten der waldbewohnenden Ameisen leiden unter den massiven und stark erhöhten Fällungen in unseren Wäldern. Entweder werden die Hügel durch die Fällungen unmittelbar beschädigt, oder aber die Tiere werden durch den Verlust ihrer Futterbäume massiv gestört. Hinzu kommt, dass Ameisen bei Bauvorhaben oft übersehen werden und in Umweltgutachten regelmäßig nicht vorkommen.

 

Foto: Gunther Kopp
Foto: Gunther Kopp

 

Wird bei Bauarbeiten auf sie geachtet, werden die im Wege stehenden Hügel von uns Ameisenhegern an einen neuen Platz umgesiedelt. Hierzu zieht das komplette Volk mit allen Arbeiterinnen, Königinnen und Brut mitsamt ihrem Nestmaterial an einen neuen, vorher ausgesuchten Platz um. Dies ist ein Teil unserer Arbeit als Naturschützer und Ameisenheger. Ansonsten bestimmt man die Ameisenarten, kartographiert die vorhandenen Hügel, damit man sie jederzeit wiederfinden kann, man führt Hege- und Pflegemaßnahmen durch und vermittelt zwischen dem Naturschutz und den Ansprüchen der Waldameisen auf der einen Seite und den wirtschaftlichen Interessen der Forst- und Landwirtschaft und der Bauträger auf der anderen Seite. Die Ausbildung zum Ameisenheger erfolgt durch die Deutsche Ameisenschutzwarte e.V., desweiteren ist eine Ausnahme-genehmigung der Naturschutzbehörde erforderlich.

 

 

Foto: Gunther Kopp
Foto: Gunther Kopp

 

Was bedeutet das Verschwinden der Ameisen eigentlich für die Natur?

 

 Hier hängt alles zusammen, Ameisen vertilgen nicht nur unglaubliche Mengen an Forstschädlingen, sie ernähren sich auch von Honigtau, den sie von Blattläusen produzieren lassen. Mit den Blattläusen leben sie in einer Art Zweckgemeinschaft, die Läuse produzieren durch ihre Ausscheidungen den süßen Honigtau, die Ameisen schützen die Läuse dafür vor Fressfeinden. Trotzdem ernähren sich viele Vogelarten von den Blattläusen und ihren Eiern und Bienen sind ebenfalls Nutznießer des Honigtaus und produzieren hieraus den bekannten Waldhonig.
Ameisen tragen auch wesentlich zur Verbreitung von vielen Pflanzen bei, da sie die Samen oder die Frucht nutzen, transportieren und hierdurch verbreiten (Myrmekochorie = Ameisenausbreitung). Weltweit nutzen über 3000 Arten diese Verbreitungsform, bei uns zählen zahlreiche Frühblüher wie das Schneeglöckchen, das Leberblümchen und das Schöllkraut dazu. Fehlen die samenverbreitenden Ameisen, verändert sich auch das Landschaftsbild und viele Pflanzen verschwinden.

 

Foto: Sandra Kraus
Foto: Sandra Kraus

Aber auch die Ameisen selbst und ihre Brut dienen vielen Tieren als Nahrung. Viele Spechtarten ernähren sich von Ameisen und die Vögel graben, um an die Tiere zu kommen, tiefe Löcher und Gänge in die Ameisenhügel. Auch Insekten, Reptilien, Spinnen und sogar Wildschweine ernähren sich von Ameisen. Diese setzen sich mit ihrer Ameisensäure dagegen zur Wehr.

 

Foto: Sandra Kraus
Foto: Sandra Kraus

 

Die Ameisenabhängigkeit der Schmetterlinge aus der Familie der Bläulinge

 

 In Deutschland verbringen 5 Arten von Bläulingen den letzten Teil des Raupenstadiums im Ameisenbau - sie überwintern dort.

 Die Raupen lassen sich fallen oder klettern auch von der Pflanze und werden von den Ameisen mitgenommen. Die Schmetterlingsraupen produzieren nicht nur den für Ameisen unwiderstehlichen Honigtau, nein, sie tarnen sich auch mittels Raupen-Pheromonen als Ameisen und sorgen damit für den richtigen Geruch, um nicht erkannt zu werden. Hierdurch bringen sie die Ameisen dazu, sie in das Nest zu tragen. Dort ernähren sie sich räuberisch von der Ameisenbrut oder lassen sich auch von den Ameisen füttern und durch den chemischen Trick fällt es den Ameisen nicht auf.

Dieser Schutz entfällt nach dem Schlüpfen und die Falter müssen umgehend den Ameisenbau verlassen.

 

Foto: Steffen Caspari
Foto: Steffen Caspari

 

Bei den Ameisen-Bläulingen im Saarland besteht die Bindung zu Arten der Knotenameise. Im Saarland kommen 2 Arten vor: der Thymian-Ameisenbläuling (Phengaris arion) und der Dunkle Wiesenknopf Ameisenbläuling (Phengaris nausithous). Interessant ist auch, dass die Arten immer an eine bestimmte Pflanzenart gebunden sind, d.h. geht's der Pflanze oder der Ameise schlecht sieht's für den Falter auch schlecht aus.

 

Alle Arten sind streng geschützt!

 

Foto: Edgar Müller
Foto: Edgar Müller

 

Neben den Bläulingen gibt es viele weitere Ameisengäste, die im Nest der Ameisen leben. Meistens handelt es sich um Insekten, Milben, aber auch Spinnen. Dabei gibt es Gruppen, die räuberisch und parasitär unter den Ameisen leben und sich von diesen und ihrer Brut ernähren, es gibt Gruppen, die mit den Ameisen einfach nebeneinander koexistieren und Gruppen, die für die Ameisen als gern gesehene Gäste gelten und von diesen beschützt und sogar gefüttert werden. Dafür erhalten die Ameisen wiederum ein ähnliches Sekret wie den Honigtau.

 

Ameisenfriedhöfe

 

Ameisen schützen sich auch gegen Krankheiten. Tote Ameisen werden von den Arbeiterinnen aus dem Hügel abtransportiert und außerhalb auf Ameisenfriedhöfen abgelegt.

Damit verhindern die Tiere, dass sich schädliche Pilzsporen, die nach dem Tod der Tiere wachsen, im Innern des Hügels ausbreiten und Schaden anrichten. Außerdem gibt es Arten, die das gehärtete Harz von Nadelbäumen mit in den Bau nehmen – bis zu 20 Kilo! Die im Harz enthaltenen Substanzen hemmen das Wachstum von Bakterien und Pilzen – nicht nur auf den Nadelbäumen, sondern auch im Ameisenbau.

 

 

Der Lebensrhythmus der Ameisen richtet sich komplett nach den Jahreszeiten

 

Frühling

Im Spätwinter und Frühling kommen zuerst die Arbeiterinnen an die Nestoberfläche und wärmen sich während der sogenannten Sonnung in der Sonne auf.

 

Foto: Sandra Kraus
Foto: Sandra Kraus

 

Sie speichern die Wärme in ihrem Körper und krabbeln zurück ins Nest, geben die Wärme dort ab, wärmen das Nestinnere dadurch auf und regen den eigenen Stoffwechsel an. Der ganze Staat erwacht aus der winterlichen Kältestarre.

 

Foto: Sandra Kraus
Foto: Sandra Kraus

 

Die Königinnen legen die sogenannten Wintereier, aus denen die geflügelten männlichen und weiblichen Geschlechtstiere schlüpfen und die Arbeiterinnen setzen den Bau in Stand. Die geflügelten Geschlechtstiere schwärmen beim sogenannten Hochzeitsflug aus, die Jungköniginnen paaren sich und lagern den Samen in einer sogenannten Samentasche.

Dieser reicht für ein ganzes Königinnenleben, sie können über 20 Jahre alt werden. Die Männchen sterben nach der Paarung, sie haben keine weiteren Aufgaben. Die Königinnen kehren entweder in ein bestehendes Nest zurück oder suchen einen geeigneten neuen Standort, streifen ihre Flügel ab und gründen neue Völker.

 

 

Foto: Sandra Kraus
Foto: Sandra Kraus

 

Sommer

 

Die Königinnen sind mit der Eiablage beschäftigt, die Arbeiterinnen pflegen im Sommer ihre Blattlauskolonien und ernten von diesen den durch die Blattläuse produzierten Honigtau. Sie pflegen und füttern die Brut und organisieren eine Unmenge an Futter. Ein Einmillionenstaat erbeutet jährlich 28 kg Insekten, darunter viele Forstschädlinge, sowie 200 Liter Honigtau.

Wenn ein Standort eines Nestes nicht mehr passt, weil sich beispielsweise die äußeren Umstände ändern, kann es im Sommer zum Umzug eines ganzen Nestes kommen. Dabei werden – oft über Wochen hinweg – Arbeiterinnen, Brut, Königinnen, Futter und Nestmaterial über Ameisenstraßen an den neuen Standort gebracht. Die Ameisen bewegen sich hierzu auf Ameisenstraßen und orientieren sich anhand von Duftstoffen, die sie dort hinterlassen. Wird ein Nest zu groß, kommt es auf ähnliche Art und Weise zur Bildung eines Tochternestes.

 

 

Herbst und Winter

 

Im Herbst werden die Tiere allmählich inaktiver. Man sieht weniger Tiere an der Oberfläche und die Kuppel des Nestes wird für den Winter abgedichtet. Vor dem Winter entleeren die Ameisen Darm und Kropf und sorgen so für eine Verdickung der Körpersäfte und einen Anstieg an Salzen und Glyzerin. Der Gefrierpunkt der Flüssigkeiten wird hierdurch herabgesetzt und die Tiere überstehen so auch Minusgrade im zweistelligen Bereich.

 

Foto: Sandra Kraus
Foto: Sandra Kraus

 

Hier noch ein paar erstaunliche Fakten über Waldameisen.

Wussten Sie dass:

Ameisenköniginnen ca. 20 Jahre alt werden, sich in ihrem ganzen Leben aber nur einmal paaren?


Nur die Königin für Nachwuchs sorgt?


Arbeiterinnen 5-6 Jahre alt werden?

 

In Deutschland 111 verschiedene Ameisenarten vorkommen, aber nur 13 heimische Waldameisenarten auffällige Hügel bauen?


 In einem großen Waldameisennest mehr als eine Million Arbeiterinnen leben können?


Aber eine Million Arbeiterinnen nur ca. 7 Kilo schwer sind?


Manche Waldameisennester nur eine Königin enthalten, andere jedoch mehrere hundert Königinnen?


Eine Waldameisenarbeiterin etwa das 40-fache ihres Eigengewichtes tragen kann?


Ein großes Waldameisenvolk an einem Tag bis zu 100.000 Beutetiere verzehren kann?

 

Schützen wir die Ameisen und gehen wir auch auf ihre Bedürfnisse ein. Sorgen wir dafür, dass diese faszinierenden Tiere eine Zukunft haben, ob im Offenland, auf Wiesen oder aber in unseren Wäldern.

 

Foto: Gunther Kopp
Foto: Gunther Kopp